Sie hüten Meisterwerke der Natur, verbergen Geheimnisse, bewahren die Erinnerung an legendäre Bewohner, von denen sie auch heute noch so manchen in ihren Mäandern beherbergen und manchmal sprechen sie auch. Wie Sa Oche, „die Stimme“, deren Heulen im Lanaitto-Tal in Oliena widerhallt, das durch Luftströme in der „Zwillingsgrotte" Su Bentu erzeugt wird. Unweit davon erklingen die Worte von Grazia Deledda sowie ihres Romans „L'edera“ und ihrer Erzählungen des 19.Jh., in denen Realität und Legende verschmelzen und deren Schauplatz die Grotte von Corbeddu ist. Sie war die Bleibe eines „Gentleman-Banditen", nach dem sie benannt wurde und der sie in sein eigenes Gericht umwandelte. Hier hat man einige der ältesten menschlichen Überreste entdeckt, die je auf einer Mittelmeerinsel gefunden wurden. Auch um Ispinigoli in Dorgali und ihre gut 38 m hohe „Säule“ ranken sich originelle Geschichten. Wer weiß, ob der 60 m tiefe Abgrund der Grotte tatsächlich Schauplatz von Menschenopfern war, sodass ihr der Name „Abgrund der Jungfrauen“ gegeben wurde. In dieser Gegend ist der Weg von den Bergen zum Meer nur kurz und selbst die Beobachtung der Mönchsrobbe ist legendenumwoben: Ob sie sich nach wie vor im Golf von Orosei aufhält, ist unklar, aber sicherlich war sie in Cala Gonone in den Grotten del Bue Marino beheimatet, die nach ihr benannt sind. Der „Strandraum“ war ein sicherer Zufluchtsort, um hier die Jungen zur Welt zu bringen und zu entwöhnen. Auch in der Jungsteinzeit versammelten sich hier die Menschen in denselben „Hallen" am Rande des Wassers, dort wo seit Jahrzehnten jeden Sommer die Konzerte von Cala Gonone Jazz stattfinden.
In Ulassai herrscht Stille in den imposanten Hallen der spektakulären Grotte Su Marmuri, einem wahren Meisterwerk der Natur. Um beim Thema unterirdischer Naturwunder zu bleiben hat der Supramonte von Baunei auch einiges zu bieten: Direkt zum Meer blickt die Grotta del Fico, wo man am Eingang von einem aus der Steilwand zum Meer hin schwerelos wachsenden Feigenbaum sowie Ziegen empfangen wird, die an den Felswänden hochklettern. Hinter Cala Sisine wiederum entdeckten einheimische Hirten eine andere Höhle, der sie, vielleicht aufgrund der glitzernden Lichtspiele oder der unendlich vielen Naturskulpturen, den Namen Su Meraculu, Wundergrotte gaben. Die geheimnisvollen Graffiti aus der Altsteinzeit hingegen in der Grotta Verde in Alghero, vor allem die älteste in Sardinien entdeckte anthropomorphe Darstellung, sind von Menschenhand geschaffen. Der Hohlraum „durchbohrt" die Klippen von Capo Caccia, dem Küstenteil des Naturparks von Porto Conte, einem Ort, an dem Mythologie und Meer in einander fließen: Die Neptun-Grotten belegen dies und der bezaubernde kleine See konnte dem Reich des Meeresgottes nicht entgehen. Das gilt auch für die bunten Gorgonien- und Korallen- „Gärten“ der Nereus-Grotte, die Dutzende Meter unter dem Meeresspiegel verborgen sind und zahlreiche wunderschöne Unterwasserräume umfassen, die dessen Töchtern, den Nereiden, gewidmet sind.
Überreste einer römischen Straße belegen, dass das Fluminimaggiore - Tal, wo sich der - zunächst punische und später römische - Tempel von Antas erhebt, direkt mit der „archäologischen Halle“ von Su Mannau verbunden war, und es ist kein Zufall, dass sich im selben Tal Überreste von prähistorischen Nekropolen und Nuraghen befinden. Auf der Straße durchläuft man jahrtausendealte Geschichte bis zur Grotte, einem Naturschauspiel mit klaren kleinen Seen, Stalaktiten und Stalagmiten aller Art, in der pränuragische Menschen beim Licht schummriger Öllampen ihre Rituale vollzogen. Viele „Brüche“ im Felsen der Insel waren Schauplatz von Kulten, auch in der Umgebung von Morgongiori, wo am Grund einer Spalte eine spektakuläre, von den Nuraghen in den Basalt gehauene Treppe beginnt, an deren Fuß sich eine Wasserfläche befindet. Ihr Name geht auf deren rituelle Funktion zurück: Sa Scab’e Cresia, die Treppe der Kirche. Die Felshöhlen waren auch das Reich der Janas, die ein wenig Feen, aber auch Hexen waren. Ihre Domus, in denen sie sich den Hausarbeiten widmeten, vor allem dem Weben am Webstuhl, sind über die gesamte Insel verstreut. Drei von ihnen beschlossen, in der zauberhaften Landschaft von Sadali in einer Grotte zu leben, die nach ihnen benannt ist, Is Janas. Ebenfalls dort sind sie, versteinert aufgrund göttlicher Strafe, in Form von drei imposanten Stalagmiten gemeinsam mit Säulen, Faltenwürfen, Statuen, die wie Küchenmöbel und -utensilien anmuten, unter einem Dach aus weißen Stalaktiten zu sehen.
Auch im Inneren von Is Zuddas ist Weiß das unverkennbare Merkmal: Die Exzentriques verzweigen sich in alle Richtungen wie weiße Fäden und besticken die Wände der Haupthalle gemeinsam mit „Röhrchen" und „Felsblumen". Wir befinden uns nun in Santadi in Sulcis-Iglesiente, dem Land des Bergbau-Epos, wo man leicht auf spektakuläre Grotten und deren Besonderheiten stoßen kann. In Domusnovas, mitten in den märchenhaften Wäldern von Marganai befindet sich der Höhlentunnel von San Giovanni: Sie ist die längste „befahrbare" Grotte der Welt und ihr Name geht auf die Tatsache zurück, dass sie im Mittelalter eine dem Heiligen geweihte Kapelle beherbergte. Auch eine andere nahe gelegene Grotte nur unweit von Iglesias ist spirituell angehaucht: 1952 hatten einige Bergleute, die einen Tunnel gruben, eine himmlische Vision, sodass sie die Höhle mit einer Kathedrale verbanden und sie der Schutzheiligen, der Hl. Barbara widmeten. Es ist die älteste Grotte Italiens und deren Wände sind mit seltenen Barytkristallen bedeckt. Der Zugang führt durch den Teil des Bergwerks, in dem die Grabung stattfand: Zunächst fährt man mit einem kleinen Zug, dann folgen ein Aufzug und schließlich eine Wendeltreppe. Es wurden keine „künstlichen“ Eingriffe an der Grotte vorgenommen, sie ist unversehrt und geschützt und ein sorgsam zu hütendes Kunstwerk.