Ein Labyrinth von in den Fels gehauenen Tunneln, die einen malerischen Blick auf die Südwestküste der Insel bieten. Der Besuch des Henry-Tunnels ist eine Zeitreise in das Innere der Pranu Sartu-Mine, der berühmtesten und produktivsten Mine von Buggerru. Die Hinfahrt erfolgt mit einem elektrischen Zug auf der Trasse der alten Dampfeisenbahn, die Rückfahrt zu Fuß durch den alten „Fußgängertunnel“, der einst von Maultieren begangen wurde. In den Fels gehauene Stege führen über die gesamte Länge der Klippe: Einige Abschnitte liegen im Dunkeln und werden nur gelegentlich durch riesige, in die Bergwand gehauene Fenster mit Blick auf das Meer von Licht erhellt. Die spektakulärste Aussicht bietet sich am Ende der Route: 50 Meter über dem Meeresspiegel blickt man auf eine atemberaubende Kulisse, die die Küste und die Häuser des Dorfes überragt.
Der Tunnel wurde in den letzten drei Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts gegraben. Für die damalige Zeit galt dies als ein futuristisches Werk der Ingenieurskunst, das dem Tunnel von Porto Flavia in nichts nachstand. Die beträchtliche Größe des „Henry“ ist auf den Einsatz einer Dampflokomotive zurückzuführen, die ab dem späten 19. Jahrhundert durch die Anlage fuhr und den Transport des Roherzens von den unterirdischen Abbaustätten zu den Waschanlagen und danach zum Hafen ermöglichte, wo das gereinigte Erz auf Schiffe verladen wurde.
Die Ausbeutung der Mine zwischen dem Ende des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts verwandelte ein kleines Bauern- und Fischerdorf mit einem Mal in eines der wichtigsten Zentren des Bergbauepos. Die industrielle „Revolution“ verlief überraschender und schlagartiger als in anderen Orten von Iglesias und Sulcis. Heute ist Buggerru, auch dank der Aufwertung der Industriearchäologie, eine der acht, von der Unesco als geologisch- bergbaulicher Park Sardiniens anerkannten Stätten, sowie ein reizvoller Ort mit bezaubernden Küstenlandschaften, darunter die einzigartige Cala Domestica und der wunderschöne Stadtstrand.
Die Minen waren Orte des Leidens, an denen sich ein Höchstmaß an Solidarität zwischen den Arbeitern und an Klassenbewusstsein entwickelte. Vor allem Pranu Sartu ist das Symbol des Arbeiterkampfes, wo 1904 das berühmte Massaker von Buggerru stattfand. Die bis zum Äußersten ausgebeuteten Bergarbeiter „wagten“ einen historischen Streik, den ersten in der Industriegeschichte Italiens. Die Bergbaugesellschaft rief daraufhin die Armee auf den Plan. Auf den Steinhagel der Bergleute reagierten die Soldaten mit Schüssen: drei Arbeiter starben, elf weitere wurden verletzt. Dieser Vorfall löste weitere Streiks in ganz Italien aus. Wenn Sie den Tunnel betreten, werden Sie eine ehrfürchtige Stille wahrnehmen, die durch den metallenen Klang der Waggons unterbrochen wird: In der Dunkelheit und Kälte kann man sich die grausamen Details vorstellen, die die Männer vergangener Tage erlebt haben, die mit Mühsal und Leid einen gerade noch angemessenen Lebensunterhalt für ihre Familien verdienen konnten.